Sprache und Begriffsbildung im Chemieunterricht

(Startseite)


Zwischen der Alltagssprache und der Wissenschaftssprache, die zur Kommunikation unter Fachleuten dient, ist die Unterrichtssprache angesiedelt, die unter Berücksichtigung der Umgangssprache eine exakte Verständigung zwischen Schülern und Lehrer im Fachgebiet ermöglichen soll und die dem Entwicklungsstadium der Schüler angepasst sein sollte. Ein wichtiges Ziel des Chemieunterrichtes ist es auch, die Schüler von der wenig präzisen Alltagssprache abzuholen und an eine korrekte Fachsprache heranzuführen, die im mündlichen wie im schriftlichen Bereich einen eindeutigen Umgang mit Zeichen, Zeichenfolgen, Begriffen, Formeln sowie Größen und Einheiten umfasst.

 

In der Chemie haben Zeichen bzw. Zeichenfolgen zusätzlich zur allgemeinen Sprache eine ganz bestimmte Bedeutung.

 

Was bedeuten z.B. die beiden Zeichen Cl in sprachtheoretischer Sicht?

· Die beiden Zeichen stehen für Chlor (sigmatischer Aspekt).

· Mit den beiden Zeichen ist ein inhaltlicher Aspekt (Bedeutungsfunktion) verbunden (semantischer Aspekt), z.B. stehen die beiden Zeichen für
- das Element Chlor mit seinen Eigenschaften
- atomares Chlor
- 1 Chloratom
- 1 mol Chloratome.

· Die beiden Zeichen haben eine Signalfunktion (pragmatischer Aspekt) z.B. für
- stechend riechendes Gas, giftig
- Schwimmbad
- reaktionsfreudiges Element.

· Die beiden Zeichen haben in Zeichenreihen eine Bedeutung (syntaktischer Aspekt),
z.B. H2 + Cl2 > 2HCl .

 

Der sigmatische Aspekt bezieht sich auf die eindeutige und umkehrbare Zuordnung von Zeichen bzw. Zeichenfolgen und Bezeichnetem. Man unterscheidet zwischen Symbolen, Namen und Termini (Fachbegriffen).

· Symbole stehen für
- Elemente und chemische Verbindungen
- Phasen und stoffspezifische Eigenschaften
- Ladungen und Oxidationszahlen
- Größen und Maßeinheiten (SI-Einheiten)
- Wortkürzungen

· Namen stehen für
- Stoffe, Elemente und Verbindungen
- Reaktionen und Reaktionstypen
- Konstanten, Regeln und Gesetze.

· Termini stehen für
- Eigenschaftsbeschreibungen wie Nucleophilie, Acidität, basisch, aromatisch, molekular.
- Beschreibungen von Reaktionen wie Redoxreaktion, Säure-Base-Reaktion, endotherm, radikalisch

 

Die Verknüpfung von Zeichen zu Wörtern (syntaktischer Aspekt) wird durch die Rechtschreibung der jeweiligen Sprache bestimmt.
In der Chemie sind zusätzliche Wörter u.a. die Formeln.
Die Verknüpfung von Zeichen zu Namen von Stoffen erfolgt nach der Rechtschreibung und der IUPAC-Nomenklatur.
Die Verknüpfung von Wörtern zu Sätzen erfolgt chemiespezifisch z.B. beim Aufstellen von Reaktionsgleichungen.

 

Die Formeln sind nach der DIN 32641 festgelegt:

· Elementarformeln (Verhältnisformeln) geben die in der Verbindung gebundenen Elemente und das Verhältnis der Elemente (Atomzahl- bzw. Ionenverhältnis) mit kleinstmöglichen ganzen Indizes an.

· Molekülformeln geben neben den Elementen die genaue Anzahl der Atome an.

· Konstitutionsformeln enthalten Angaben über die Verknüpfung der Atome untereinander.

· Strukturformeln beschreiben die zweidimensionale oder räumliche Verknüpfung der Atome oder Atomgruppen unter Kennzeichnung der Art der Bindungen. Man unterscheidet dabei in Elektronenformeln, Valenzstrichformeln, Skelettformeln.

 

Reaktionsgleichungen beschreiben nach DIN 32642 quantitativ eine chemische Reaktion. Sie geben an, welche Teilchen in welcher Anzahl (Mengenverhältnis) miteinander reagieren, und beschreiben eine chemische Umsetzung von Art und Stöchiometrie der Reaktionspartner. Sie können ergänzt werden durch Angaben zu den Aggregatzuständen oder Enthalpieänderungen.
Sollen bei der Beschreibung einer chemischen Reaktion die stöchiometrischen Verhältnisse keine Rolle spielen, darf man nicht von einer Reaktionsgleichung sprechen sondern sollte den Begriff Reaktionsschema verwenden. Diese beschreibt eine chemische Reaktion lediglich qualitativ. Statt Formeln können auch nur die Namen der Verbindungen benutzt werden (z.B. Wortgleichung im Anfangsunterricht).

 

Die Begriffsbildung ist eine zentrale Denkoperation im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess und wird mit einer Definition beendet (z.B. die Begriffe für Säuren und Basen, Oxidation, Reduktion und Redoxreaktion). Hierbei wird im Unterricht häufig die historische Begriffsbildung nachvollzogen.

 

Man unterscheidet in
- qualitative oder klassifikatorische Begriffe
- komparative oder typologische Begriffe
- quantitative Begriffe.

 

Beim Prozess der Begriffsbildung sind folgende Denkoperationen wichtig:
- Vergleichen mit Bekanntem
- Differenzieren (Herausstellen von Unterschieden)
- Abstrahieren (Vernachlässigen von unwesentlichen Merkmalen)
- Generalisieren (Verallgemeinern, Festlegung eines Satzes charakteristischer Merkmale)
- Typisieren bzw. Klassifizieren (Zuordnung zu bekannten Begriffen)

 

 

Im Chemieunterricht soll zudem konsequent mit den Größen und Einheiten umgegangen werden. Das Rechnen sollte mit Größengleichungen erfolgen.
Folgende für den Chemieunterricht wichtige Größen und Einheiten sind durch das SI-System international normiert und in Deutschland per Gesetz festgelegt:

· Masse m  (kg)

· Energie W  (J)

· Stoffmenge n   (mol)

· molare Masse M   (g/mol)

· Atommasse m   (g oder u)

· molares Volumen Vm   (L/mol)

· Avogadro-Konstante NA  (1/mol)

· Massenanteil w  (g/g oder % oder ppm oder ppb)

· Stoffmengenanteil x   (mol/mol)

· Volumenanteil j  (L/L oder %)

· Stoffmengenkonzentration c  (mol/L)

· Massenkonzentration r *  (g/L)

· Volumenkonzentration s  (L/L)

 

 

Literatur:

· siehe Literatur zur Fachdidaktik

· Begriffe  Praxis der Naturwissenschaften Chemie 5/1998

· Brink   DIN 32641 - Chemische Formeln   Praxis der Naturwissenschaften   Chemie 2/2000

· Kullbach    Mengenberechnungen in der Chemie   Verlag Chemie

· Brinkmann    Rechnen mit Größen in der Chemie   Diesterweg/Salle-Sauerländer

· Stegmüller/Baumgarten    Chemisches Rechnen   Diesterweg-Sauerländer

 

(zurück)